Kuscheln ist ganz einfach - sagte sie, blickte mich aus einer handbreiten Entfernung an und schlang ihre kleinen Arme wieder fest um meinen Hals. Meine Tochter. Es könnte genauso gut mein Sohn gewesen sein. Unsere Familienkultur ist da sehr einheitlich und klar strukuriert. Wir sagen uns unzählige Male am Tag, dass wir uns lieb haben und kuscheln ist wie Essen. Es wird streng eingefordert und wie selbstverständlich verteilt. Wer kann schon ohne, oder?
Ich kenne mich und frage mich sehr oft, was in meinem Leben geschehen ist, dass ich die Mutter dieser kleinen Familie geworden bin. Kuscheln und die Sprache der körperlichen Zuneigung gehören nicht zu meiner üblichen Liebessprache. Ich habe eine Menge gelernt durch meinen Mann, an dessen Seite ich seit gut 10 Jahren bin und der ausgesprochen viel körperliche Zuneigung sucht und gibt. Da lernt man das ganz gut.
Meine Kinder sind aber gigantisch in ihrem Konsum an körperlicher Nähe und das ist echt spannend für jemanden, der nicht zwangsläufig alle zwei Meter daran denkt sein Gegenüber zu umarmen.
Liebe über Worte zu kommunizieren ist absolut mein Ding. Worte sind schon noch mein Ding und über Liebe zu reden und was ich für andere empfinde, ist für mich nicht schwer.
Nun sitze ich da und finde mich in einer üblichen Ladung körperliche Nähe mit meiner Tochter wieder und sie stellt trocken fest "Kuscheln ist ganz einfach."
Wie recht sie hat. Kuscheln ist nicht schwer. Wie auch? Es gibt ja keine körperliche Anstrengung dabei oder sonstige Mühe. Kuscheln ist einfach.
Ich fühle mich dennoch ertappt. Sie sagt es so leicht hin, mitten rein in mein erwachsenes Herz mit seinem vollen Alltag. Umgeben von unzähligen Menschen, herrlichen Freunden und ungeliebten Seelen.
Kuscheln ist ganz einfach.
Es ist eigentlich nicht schwer, jemanden mit einer Umarmung zu beschenken. Eigentlich ist es nicht schwer, meine Hand zum Trost auf andere zu legen, die Tränen eines anderen wegzuwischen und meine Schulter anzubieten, für den, dem sein Kopf zu schwer wird.
Ist eigentlich nicht schwer.
Und trotzdem finde ich mich oft in einer distanzierten Welt wieder. Ich bin selber nicht diejenige, die mit aller Freiheit andere zu körperlicher Nähe einlädt. Und ehrlich gesagt bin ich auch oft überfordert, wenn andere es tun. Aber verrückt ist, am Ende finde ich es richtig schön.
Wie bei all den Dingen, die einem erstmal nicht vertraut sind, wo man seine Komfortzone vielleicht verlassen muss und sich auf ungewohntes Terrain begibt. Die Dinge, bei denen man sich, nachdem man sich überwunden hat, heftig gut fühlt.
Ist hier ganz ähnlich, oder nicht?
Ich spreche hier sicherlich Menschen wie mich an, die nicht körperliche Nähe als Liebessprache nutzen und demnach eine gewisse Unnahbarkeit entwickeln.
Und ich spreche die Menschen an, die uns einfach umarmen und manchmal frech und liebevoll unsere Grenzen sprengen.
Wie sonderbar wunberbar.
Ihr offenen und herzlichen Menschen, Danke!
Ich hatte einmal eine Situation, da besuchte ich eine Gemeinde. Mitten drin kam eine Frau, vielleicht einige Jahre älter als ich und sprach mich an. Sie durchbrach in Sekunden alle "Wir-kennen-uns-noch-nicht" Formen und gab mir dann ein prophetisches Wort von Gott, dass mich unmittelbar an meiner tiefsten Herzensstelle traf. Dabei nahm sie mich in den Arm, aber nicht so höflich ein wenig. Nein so richtig fest und eng und ohne Fluchtoption. Ich weinte und mir wurde warm und sie ignorierte alle diese Gründe, die Umarmung aufzulösen. Sie betete für mich und hielt mich fest. Ich habe gespürt, dass da jemand kam und meine Grenzen sehr massiv durchbrach und ich empfand tiefe Heilung. Meine Scheu jemanden so unvorstellbar eng zu umarmen, den ich nicht einmal kenne, schien in dem Moment irgendwie unangebracht.
Denn es war gut. Es war heilsam und nah. Und ich mag Nähe.
Es ist sicherlich auch ein Kulturdilemma in dem wir Deutsche stecken. Wir pflegen recht viel Distanz und begrüßen uns auch sehr höflich und distanziert. Andere Kulturen haben da wirklich andere Sitten.
Es ist auch Typabhängig. Ganz bestimmt.
Aber egal welcher Typ man auch ist, suchen tun wir alle das Gleiche. Wenn jemand scheu vor einer herzlichen Umarmung hat, dann nur weil er vergessen hat, wie gut sie sich anfühlt. Ehrlich, ich weiß, wovon ich spreche.
Das ist nicht meine Art, Liebe zu transportieren, aber ich brauche diese Art von Liebe sehr dringend. Nur bin ich da eben abhängig von den Menschen um mich herum, die so frei und offen mit ihren Umarmungen um sich schmeißen. Manchmal suche ich sogar extra Leute auf, bei denen ich weiß, die umarmen mich. So! - Jetzt ist es raus... hab ich mich geoutet.
Spaß beiseite. Ich brauche das und ich wäre verloren, wenn alle wären wie ich.
Mein Mann ist ehrlich mein Lebensretter. Er zwingt mich regelmäßig in eine Umarmung und lässt meinen Widerstand bröckeln und bröckeln, bis er verschwunden ist und ich loslasse und genieße.
Ich weiß nicht warum wir alle sind, wie wir sind. Aber wir brauchen uns wirklich dringend gegenseitig.
Meine Familie kämpft sehr eisern gegen meine charakterliche Schwäche vor Nähe - unwissend - und ich liebe sie dafür. Ich bin heute schon viel freier und unkomplizierter in der Sache. Ich danke all' den herrlichen Menschen um mich herum, die mich, ohne es zu wissen, wieder und wieder daran erinnern, was mir fehlte. Ach, ja, genau! Eine Umarmung war's.
So wunderbar.
Kuscheln ist ganz einfach.
"Ich hab dich lieb" ist so ein einfacher Satz. Und es ist nicht möglich, ihn zu oft zu sagen. Ich verspreche euch das. Teste es jeden Tag aus. Ich gewöhne mich daran und bin in dem Moment nicht so überrascht, wie die Menschen vor mir an der Kasse beispielsweise. Aber es verliert seine Schönheit und tiefe Bedeutung niemals!
Es ist ganz einfach. Einfach sagen. Löcher füllen und Menschen mit Liebe versorgen.
In meiner Gartenprobierphase habe ich etwas gelernt. Besser ist es, wenn ich mein Gemüse morgens gieße. Dann ist es stark für den Tag voller Hitze und Sonne. Der Tag kostet sie Kraft und so können sie die Energie von irgendwoher ziehen.
Natürlich kann ich auch abends gießen. Das ist das Prinzip von Wiederbelebung. Gefühlt. Sie hängen völlig schlapp in der Erde und ich gieße schnell und reichlich, damit sie bloß wieder aufstehen und Kraft kriegen.
Nun kann eine Pflanze nicht reden und hat keine Gefühlsausbrüche.
Wenn wir einen Mensch aber immer erst dann mit Liebe versorgen, wenn er schon offensichtlich schlapp wird und am Boden hängt, ist viel passiert in der Zwischenzeit. An solchen Tagen, an denen ich zu spät mit Liebe versorge, wundere ich mich über die schlechte Laune zuhause, das viele Schreien und Streiten und alle diese Unruhe. Natürlich lieber spät als nie.
Optimal ist es aber, mit Umarmung und einem "Ich hab dich lieb" zu versorgen, wenn es noch früh ist.
Damit meine ich nicht morgens, obwohl das auch gut ist, sondern rechtzeitig. Nicht erst, wenn ich das Gefühl habe, ich glaube er bräuchte mal wieder eine Portion Liebe. Sondern frei und ungezwungen immer und immer wieder. Daraus können wir dann Energie ziehen.
Geliebte Menschen haben Kraft.
Ein tolles Thema. Kuscheln ist ganz einfach. Wie wahr!
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