Am 12.12.18 starb meine Schwester. Wir hatten zehn Tage lang einen Wechsel aus Hoffnung, Angst und Erwartung und dann starb sie.
Ich durfte kostbare 5 Stunden vor ihrem Tod an ihrer Seite verbringen.
Beobachten, wie das Leben sich aus ihrem Körper schlich. Die langsam, aber stetig sinkenden Zahlen am Bildschirm beobachten und ihre Hand halten, die alle meine Tränen auffangen musste.
Kein Mensch auf der Welt kann nur annähernd empfinden, wovon ich rede, es sei denn, er hat es selber mal erlebt.
Ich erlebe das erste mal Trauer und Verlust so nah.
Großeltern habe ich bereits beerdigen müssen, aber das ging nicht so nah, wie der Abschied von meiner Schwester.
Und während ich gerade Abschied schreibe, laufen meine Tränen, weil ich dieses Wort kaum ertragen kann.
Jeder kann mal länger weg sein, mein Kopf will einfach noch nicht begreifen wie endgültig die Situation ist. Sie kommt nicht mehr wieder.
Die letzten knapp 3 Jahre haben wir wieder gemeinsam in einem Haus gelebt und das letzte Jahr mit ihr war ausgesprochen schön, trotz ihrer Krankheit.
Ich freue mich darüber, dass sie gelebt hat.
Ich ehre jedes ihrer 32 Jahre.
Mein Herz zerreißt an der Traurigkeit. Umso mehr Zeit vergeht, verarbeite ich die intensivsten zehn Tage meines Lebens und meine Seele hat viel zu tun. Ich fühle mich ausgeliefert. Ausgeliefert an ein Gefühl, das eiskalt ist und unfassbar hartnäckig.
Alle Gefühle kann man auf irgendeine Weise verschieben, verdrängen oder ignorieren. Aber Trauer ist einfach da.
Du kannst dich ablenken und alles mögliche machen, aber du schleppst sie ja doch in dir drin mit.
Und völlig unerwartet schlägt sie urplötzlich zu. Mit wilden Gedanken und völlig aufgewühlt bleibe ich zurück, ein Schachtfeld mit vielen Verwundeten hinterlässt sie, nur um ein anderes Mal wiederzukommen.
Wie unbarmherzig und machtvoll sie doch ist, die Trauer.
Sie raubt mir den Schlaf, quält mich mit Träumen und schafft es mich mitten am Tag zu erschrecken, weil mich die Realität einholt und ich plötzlich merke, dass sie tot ist.
Kein Gefühl habe ich jemals als so nackt empfunden, wie diese Traurigkeit.
Man braucht sehr nahe Menschen, um diese Gefühle zu teilen. Es ist das totale entblößen meiner Seele und der abgrundtiefste Schmerz in meinem Herz.
Trauer ist nackt.
Ich weiß und sehe, dass hier tatsächlich die Zeit die Wunden heilt. Aber es ist einfach noch kaum Zeit vergangen. Und am Ende ist das ein Trost für die Zukunft, aber es berührt das heute herzlich wenig.
Denn heute tut es weh. Heute ist es schwer auszuhalten und heute vermisse ich sie wie verrückt.
Ich will der Trauer nicht mit Hoffnung für übermorgen begegnen. Ich rüste mich und werde sie erleben. Heute.
Und ich empfange den Trost, den der Heilige Geist, unser Tröster, heute für mich hat.
Aber vor allem mache ich mir und ihm nichts vor. Ich gebe ehrlich zu, dass wir einen Tag nach dem anderen leben werden und selbst er mir gewisse Schritte dabei nicht abnehmen kann.
Ich nehme ihn mit, mitten rein in das Schlachtfeld der Traurigkeit und erlebe mit ihm gemeinsam, wie weh das tut und wie es irgendwann besser werden wird.
Das nackte Gefühl von Traurigkeit wird mich wohl noch länger begleiten. Aber ab heute, wird meine Umarmung für jemanden, der Verlust und Tod erlebt, verändert sein. Sie ist jetzt mit Leben gefüllt, mit Erfahrung und unendlich viel Mitgefühl und Herz.
Ich wünsche mir eine Reise durch die Trauer, unverfälscht und ehrlich.
Ganz ohne Farben, wenn es sein muss, denn der Frühling kommt. Und das grün, das sich dann überall ganz langsam zeigt, wird auch meine graue Welt nicht unberührt lassen.
Danke Gott, dass dein Frühling auf mich wartet!
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Mila (Dienstag, 08 Januar 2019 18:41)
Interessant, wie du Trauer beschreibst. Nackt! Sie kommt unverschleiert und entblößt uns eiskalt , wie du schon sagst. Keine “Maske“ hält ihr stand...
Und es ist so mutig und stark, durch sie hindurch zu gehen. Sie nicht zu bedecken mit Ablenkung. Sie völlig auszuschöpfen. Den bitteren Kelch bis zum Ende zu trinken. Das zeugt von innerer Stärke und Courage. Und wie genial uns solche grausamen Umstände zum besseren Menschen schleifen... Durch Leid gelangen wir in verborgene Tiefen unseres großräumigen Herzens, von deren Existenz wir nicht mal wußten...
Danke für s teilen, Miri, ich drück dich hier jetzt sehr innig �