Ich bin dann jetzt Mutter.

Was geschieht, wenn ich mutig in eine neue Lebensphase schreite, hinter mir zieh ich alle die Erfahrungen von hundert Anderen mit, und dann nüchtern begreife, dass ich mich nun völlig neu finden muss?!

Inmitten von unendlicher Wäsche, tausend Dingen an einem falschen Platz und einem herzzerreißenden Gähnen, sitze ich und blicke auf mein kleines Baby. Friedlich schmatzt es und genießt seine Milch. Gerade eben noch bin ich verzweifelt gelaufen und habe zwischen eifrigem Wiegen und vielen kreativen Ideen nach einer Lösung gesucht, um das laut schreiende Baby zu beruhigen – bis ich feststelle, es hat einfach noch Hunger.

Mein Kind ist längst wieder glücklich und hat mir verziehen, dass ich nicht schneller drauf gekommen bin. Aber was ist mit mir? Ich bin hundemüde und schlafe nicht das erste Mal beim Stillen ein…

Wir haben da so fertige Antworten, wenn es um Geburt und Kinder geht. Wir kennen sie alle, diese Sätze, die wir nicht hören wollen.

Und immer dann wenn ich ehrlich gesagt habe, dass es schwer ist und ich hart an meinen Grenzen lebe, schaute man mich mit großen Augen an und sagte einen dieser Sätze wie „Aber du bist doch froh, dass du ihn hast?!“

Natürlich bin ich froh. An jedem einzelnen Tag bin ich glücklich über mein Baby und ich empfinde wirklich eine Liebe in mir, die ich nie gekannt habe. Es ist eine so immens tiefe Liebe, dass ich wirklich noch brauche, um sie selbst zu begreifen. Aber ich gestatte es mir selbst, ehrlich zu sein. Ich gebe offen zu, dass die ersten Wochen eine harte Zeit sind, sowohl körperlich, seelisch als auch geistig.

Ich bin eine frisch gebackene Mama und schöpfe nicht aus einem unendlichen Reichtum an Erfahrungen – ich stecke einfach mitten drin und versuche tapfer durchzuhalten.

Ich kann nicht von mir behaupten, dass der Moment der Geburt mich alles hat vergessen lassen. Ich kann auch nicht behaupten, freudestrahlend durch unsere vier Wände gestiefelt zu sein, strotzend vor Mutterglück.

 

Als ich das erste Mal Kacki unter meinem Fingernagel fand und es mir egal war, wie viel Flecken mein Shirt noch abkriegt, wusste ich, ich bin angekommen – jetzt bin ich echt mittendrin in dieser Geschichte.

Ich hatte doch so viele Wochen Zeit, mich vorzubereiten. Ich habe so viel gelesen und gegrübelt. Als ich dann mein Baby endlich im Arm hatte, war ich so endlos müde und erschöpft. Ich wusste, dass eine spannende Zeit folgen wird und ich sollte nicht lange darauf warten. Ein paar Fakten aus dem Alltag einer frischen Mutter:

 

Im Schnitt schläft man 2-3 Stunden, man hat das Gefühl, einer Kuh ähnlich, ausgesaugt zu werden, Duschen wird zu einem hart erkämpften Privileg und pausenlos stillt man Bedürfnisse, nur nie seine eigenen.

 

Ich habe wohl ein sehr egoistisches Leben geführt, musste ich mir eingestehen. Vielleicht geht es auch ausschließlich mir so, aber mein Leben hatte sich zu einhundert Prozent gewendet. Von jetzt auf gleich war es unwichtig, was ich wollte und 24 Stunden am Tag kümmerte ich mich darum, mein Baby zu füttern, wickeln und in den Schlaf zu wiegen. Und das Schlimmste war wohl, dass man einfach noch Zeit brauchte herauszufinden, was wann dran war. Man stand so völlig hinten an und gab alles, was man geben konnte. In den ersten Wochen reagiert das kleine Kind noch nicht einmal so richtig auf all die Aufmerksamkeit, die es bekommt. Ich habe mich noch nie vorher so uneingeschränkt aufgeopfert, muss ich ehrlich gestehen.

Als unser Junge das erste Mal lächelte und ich wusste, er meint mich, wurde man tatsächlich für eine Menge schwerer Stunden entschädigt und das Herz schmolz dahin.

Ich bin, glaub ich, der einfache Durchschnitt einer Mutter. So viele nickten wissend, wenn ich ihnen mein Tageskampf beschrieb und ich merkte schnell, ich bin keine schlechte Mutter, ich bin mit der gleichen Herausforderung konfrontiert, wie alle anderen auch. Ich habe mich einfach nur manchmal getraut es auch auszusprechen und mich nicht der breiten Masse zu fügen, die ununterbrochen ihren tiefen Augenringen trotzt und tapfer erzählt, man sei noch nie so fröhlich und zutiefst erfüllt gewesen.

Und ich wage zu behaupten, dass ich für viele Mütter spreche, wenn ich sage: Durchhalten, ist das einzige, was in diesen Wochen zählt.

Schon wenn man die ersten harten Monate überstanden hat, empfängt dich eine ruhigere und friedlichere Welt, die dich langsam wieder ins funktionierende Leben führt – vom Existieren befreit. Erfüllung und unbeschreibliche Freude finden dann auch in ehrlichem Rahmen Raum in deinem Leben. Aber es kann wirklich befreiend sein, nicht zu sagen, was die Welt dann von dir hören will, sondern eine genauso gute Mutter zu sein, obwohl man ehrlich zugibt, was man fühlt.

 

Zu all den neuen Gefühlen, Aufgaben und dem ohnehin schwankenden Hormonhaushalt, kommen unzählige Fragen. Wo stehe ich jetzt? Mein Leben hat sich so gewandelt, wer bin ich? Ich bin jetzt Mutter von einem kleinen Baby und will das wirklich gut machen.

Inmitten von allen Anforderungen und Fragen, versucht man sich neu zu finden.

Ich bin ein denkender Mensch und brauche schnelle Klarheit über die Lebensphasen in denen ich mich befinde.

Ich weiß, dass mich diese erst so kurze Zeit schon grundlegend verändert hat. Ich habe gelernt, wie viel Platz noch für Selbstlosigkeit in meinem Leben ist. Ich hätte nicht gedacht, dass die Grenzen, denen ich seither gegenüber stand, sich noch so weit verschieben könnten.

Jesus fordert uns so oft im Neuen Testament auf, den anderen Höher zu schätzen, mehr zu lieben und sich selbst hinten anzustellen. Die Zeit mit einem kleinen Baby ist gut, um genau das zu lernen. Sich selbst aufzugeben und sich komplett um die Bedürfnisse eines kleinen Menschen zu kümmern, der gänzlich auf dich und deine Fürsorge angewiesen ist.

 

Ich erinnere mich an einen Moment, wo ich zwischen den winzigen Fingern meines Baby’s Fussel entdeckte und mich wunderte, weil mein Kind scheinbar zu verstauben begann, obwohl es ja sogar noch neu roch. Meine Mutter, die gerade bei mir war, wies mich vorsichtig aber direkt daraufhin, dass ich das Kind halt putzen muss. Wenn ich mich nicht um seine kleinen Fingerzwischenräume kümmere, dann tut es keiner.

 

Meine Mutter hat schon immer eine sehr bedeutende Rolle in meinem Leben und wurde mir in dieser harten Zeit zur kostbarsten Stütze für Körper, Seele und Geist.

Ich war ihr also für diesen konkreten Hinweis wirklich dankbar. Ich muss an alles denken, was das Baby braucht. Ich muss mich darum kümmern, dass es satt wird, wenn es hungrig ist, dass es schläft, wenn es müde wird und dass es eine liebevolle Begleitung hat, in jedem einzelnen Entwicklungsschritt, den es macht.

Und das beschreibt auch schon die Aufgabe, die meine nächsten Jahre ausfüllen wird.

 Dieses Baby hab ich von Gott bekommen. Er hat es geschaffen, sich viel dazu ausgedacht und unsere Gene und DNA gebraucht, um unser Kind so werden zu lassen, wie es ist.

Jetzt ist es für die nächsten Jahre meine Aufgabe, mich darum zu kümmern, dass dieses von Gott erdachte Kind heranwächst und ein stabiles und sicheres Leben gewinnt. Das besteht in erster Linie, aus dem körperlichen Wachstum, der geistigen Entwicklung und besonders wichtig: einer festen Grundlage des „Geliebtseins“. Ich muss mich täglich darum bemühen, meinem Kind zu zeigen, dass es geliebt wird – von uns als Eltern und vor allem von Gott im Himmel.

 

Wenn ich es geschafft habe und ein Teenager mit Rückgrat vor mir steht, bin ich meiner Aufgabe gerecht geworden. Wenn mein Kind bis an sein Lebensende im Herzen verwurzelt weiß, dass es geliebt wird und von wem, dass es einen Ort gibt, wo es immer hinkommen kann, ganz gleich was ihm widerfährt, dass seine Familie und insbesondere wir als Eltern dieser Rückzugsort für ihn sind – dann, so glaube ich, hat man etwas wichtiges geschafft.

Was anschließend in dem Leben der Teenager folgt, ist nur gesund möglich, wenn diese Basis geschaffen wurde. Sie fangen an sich selbst kennen zu lernen, sich auszuprobieren und an viele Grenzen zu gehen. Sie bilden nach und nach eine starke Persönlichkeit, die vom Umfeld und unzähligen Eindrücken beeinflusst wird. Wenn sie dann wissen, egal was mir geschieht, da sind mindestens meine Eltern und Jesus, die zu mir stehen und mich lieben, dann bewahrt es sie vor einem einsamen Herzen, das lebensunfähig wird.

Wenn diese charakterbildende Phase sich wandelt und sie in vielen Bereichen Fuß fassen, wenn sie schließlich wissen, wer sie sind und was sie können, dann kommt der wichtigste Teil: Dann beginnt die Reise in ihre eigene Berufung an der Seite von Jesus, geführt vom Heiligen Geist in ihnen.

Gott erschafft Menschen weil er Freude am Erschaffen hat und weil er die Vielseitigkeit liebt, bekommt jeder von uns seine Aufgabe. Wir spüren tiefste Erfüllung, wenn wir das tun, was Gott in unsere Herzen gelegt hat.

 

Ich habe verstanden, mein Baby ist mir gegeben, damit ich seinen Liebestank voll halte und ihm gebe, was es braucht um zu wachsen, um dann eine gefestigte Persönlichkeit zu werden, die ich betend begleite. Und ich betone, dass es nicht selbstverständlich ist, wenn Kinder einen Weg an der Hand von Jesus wählen. Es ist Gnade und sehr oft das Ergebnis von betenden Eltern – nichts liegt uns mehr am Herzen, als dass unsere Kinder mit Gott versöhnt sind.

 

Diesen spannenden Weg, der auf wackeligen Füßen mit zaghaften ersten Schritten beginnt, gehen alle im optimal Fall.

Dann ziehen sie weiter.

Sie gehen den Weg, den Gott erdacht hat und wissen sich geliebt.

Sie haben ein Zuhause auf dieser Erde und gehen ihre Reise mit mutigen Schritten.

So sehe ich meine Aufgabe und ich merke, dass mich das Privileg Mutter zu sein, ganz neu erreicht hat.

Ich bringe meinem Baby freudig bei zu gehen und zu sprechen und biete ihm alle Liebe, die ich aufbringen kann. Ich opfere mich völlig für ihn auf.

Ich erfülle meine Aufgabe und nehme Hürden und schlaflose Stunden gern in Kauf, weil eine so tiefe Erfüllung darin liegt, selbstlos zu sein und eine gute Mutter für sein Kind.

Mich entschädigt das Wissen über diese Aufgabe, die ich habe, für jede harte Woche in unserem Leben. Ich stelle mich den schweren Stunden und erinnere mich immer wieder daran, dass ich alles geben will, um dieser göttlichen Idee von Familie gerecht zu werden.

Ich fühle mich geehrt, Mutter zu sein. Ich gebe keine „richtigen“ und gelernten Antworten, nein, ich habe jetzt definiert, wo ich stehe.

Ich will ehrlich und authentisch diesen Weg gehen und mich auch mal hinten anstellen, um ganz für mein Kind da zu sein.

Anschließend, wenn mein Kind seinen Weg geht und ich diese kostbare Leihgabe an Gott zurückgebe, führe ich meine eigene Reise so gereift und so viel weiser fort, als je zuvor.

Ich habe Frieden und ehrliche Antworten gefunden, jetzt widme ich mich wieder voller Elan der Wäsche, dem Mittag und den Windeln meines Baby’s…